22.02. – 14.03.2021
Seit 22.02. sind die Abschlussklassen wieder täglich im Haus. Wir haben dafür die größten Räume im Haus vorbereitet, damit alle 10. Klassen im Klassenverband täglich kommen können, weil wir uns davon mehr Erfolg versprechen als vom Wechselunterricht. Eine sehr große Klasse müssen wir auf zwei gegenüberliegende Räume aufteilen, aber insbesondere in den Prüfungsfächern ist der Unterricht ohnehin oft im Wechsel aus Selbstlern-/Übungsphasen und Erklärungen organisiert, sodass das kein größeres Problem darstellt. Der Unterricht läuft gut, Abstand und Maske sind Teil des Alltags; nur vor und nach der Schule und in den Pausen scheint manchem nicht mehr ganz so klar zu sein, wieviel 1,5 Meter sind. | Ein Schulleiter-Blog
Kurswechsel
Der bayerische Kurs in der Pandemiebekämpfung war bisher immer dadurch geprägt, dass der Ministerpräsident sehr deutlich betont hat, immer etwas langsamer und vorsichtiger vorgehen zu wollen als alle anderen. Ich hatte insofern damit gerechnet, dass ab 8. oder ab 15. März einzelne Jahrgangsstufen (5./6. Klasse oder 9. Klasse) in den Wechselunterricht zurückkommen würde und man sich dann Schritt für Schritt vorantastet. Die Ankündigung vom 04.03., dass ab 15.03. alle Schüler*innen auf einen Schlag in den Wechselunterricht starten sollen (so lange die Inzidenz unter 100 liegt), hat mich daher durchaus überrascht. Nach und nach kamen dann weitere Infos, wie ein möglichst sicherer Schulbetrieb gewährleistet werden soll, zunächst die amtliche Bestätigung des aus der Pressekonferenz schon Bekannten, zugleich ein Brief des Ministers an alle Eltern und schließlich am Freitagnachmittag vor Beginn des Wechselunterrichts dann auch die Neufassung des Rahmenhygieneplans, der die Grundlage für alle schulischen Planungen in diesem Bereich darstellt.
Zuspitzung der pandemischen Lage
Während in den Schulen die Planungen für den Beginn des Wechselbetriebs für alle Schüler*innen auf Hochdruck laufen, steigt im ganzen Land die Inzidenz langsam, aber stetig an, wobei die Virusvariante B.1.1.7, die ansteckender sein soll und auch bei Kindern und Jugendlichen häufiger mit schweren Verläufen in Verbindung gebracht wird, mittlerweile die Mehrheit der Infektionen verursacht. Mit eindringlichen Worten warnt am 12. März RKI-Präsident Lothar Wieler vor dem Beginn der dritten Welle:
Die Infektionszahlen steigen – laut RKI-Chef Wieler besonders stark unter Kindern und Jugendlichen. Es gebe aktuell mehr Ausbrüche in Kitas als vor Weihnachten. […] Die Inzidenzen stiegen bei den unter 60-Jährigen wieder an – und seit Mitte Februar bei den Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren „sehr rasant“.
https://www.tagesschau.de/inland/rki-zahlen-freitag-103.html
In seinem täglichen Lagebericht veröffentlich das RKI am 14. März eine besorgniserregende Grafik:

Das RKI erwartet aufgrund der beobachteten gleichmäßigen Wachstumsrate der Ausbreitung der B.1.1.7-Virusmutation einen deutlich steileren Anstieg ab der KW 10; entsprechend schätzt das RKI „die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt als sehr hoch ein“.
Dass der Zeitpunkt für die geplante breite Öffnung der Schulgebäude nun genau mit dem erwarteten starken Anstieg der Infektionszahlen zusammenfällt, sorgt bei vielen Eltern und Lehrkräften für gemischte Gefühle. Besonders betroffen sind Familien in den Bundesländern, wo der Grenz-Inzidenzwert von 100 einfach mal verdoppelt wurde, wo Infektionsgeschehen durch Rechentricks geschönt wird oder wo Kultusbehörden verantwortungsbewusste Kreisbehörden zurückpfeifen. In Bayern liebäugeln einzelne Politiker*innen zwar auch mit Öffnungen trotz hoher Inzidenz, bislang werden die Vorgaben aber sehr konsequent umgesetzt: Nürnberg ist beispielsweise mit einem Wert von 100,4 sofort wieder in den Distanzunterricht gewechselt, was der Stadt neben Lob auch viel Kritik beschert hat – man kann es im Moment nicht allen recht machen.
Wenn man wissen will, wie es vielleicht weitergeht, lohnt der Blick nach Österreich. Die Schulen dort sind schon einige Zeit geöffnet und die Österreicher haben gute Testkonzepte, sodass die Zahlen aus den Kitas und Schulen einen validen Blick auf das Infektionsgeschehen ermöglichen. Martin Polak hat die Zahlen aus Wien aufbereitet und auf Twitter veröffentlicht:

Man sieht hier deutlich, dass sich das Infektionsgeschehen derzeit am stärksten in der Altersgruppe von 5 – 24 Jahren abspielt und dass ausgehend vom hohen Infektionsgeschehen in dieser Altersgruppe auch die Zahlen in allen anderen Gruppen wieder steigen.
Tests an Schulen
Auch in Bayern sollen künftig regelmäßige Tests von Lehrkräften, Schulpersonal und Schüler*innen dazu beitragen, Infektionsgeschehen schnell zu erkennen und einzudämmen. Hieß es dabei zunächst, dass die Tests nur für Lehrkräfte sowie Schüler*innen ab 15 Jahren stattfinden sollen (und zwar zu Hause), hat das Ministerium nun die Planungen geändert und am 12. März mitgeteilt, dass sich künftig Lehrkräfte und alle Schüler*innen an der Schule selbst testen können sollen. Die Lehrkräfteverbände halten das überwiegend für keine gute Idee (z.B. BLLV: Lehrkräfte sind kein medizinisches Personal), ich persönlich sehe das weniger kritisch, zumal auch die Kolleg*innen aus Österreich erzählen, dass sich das im schulischen Alltag irgendwie einspielt. Natürlich wäre es am besten, wir hätten mobile Testteams, die zweimal in der Woche an die Schule kommen. Wenn ich aber wählen müsste zwischen „keine Tests“ und „Selbsttests unter Aufsicht der Lehrkräfte“, ist jeder Test besser als keiner. Und genau das ist das Problem; wir haben keine Tests:
Die von der Staatsregierung angekündigte Lieferung von Selbsttests zur Laienanwendung für Schulen und Kitas verzögert sich weiter. Der Termin wurde bereits mehrfach verschoben. Auch die Anzahl der Tests ist nach wie vor unklar. Staatliches Schulamt, Team „Kindertagesbetreuung“ und Team „Katastrophenschutz“ geben ihr Möglichstes, die Tests so schnell wie möglich zu verteilen, sobald diese geliefert wurden.
Pressemitteilung des Landratsamts Miesbach am 12.03.
Wir holen jetzt also erstmal das Einverständnis möglichst vieler Erziehungsberechtigter ein und hoffen, dass wir dann schnell auch Tests bekommen, vielleicht ja sogar noch vor den Osterferien.
Impfungen
Für Lehrkräfte an Grundschulen sowie für Kita-Personal wurde inzwischen ein Impfangebot geschaffen. Lehrkräfte an weiterführenden Schulen (das sind rund 2/3 der Lehrer*innen in Bayern) können sich im Moment allerdings noch nicht impfen lassen.
Fazit
Zusammenfassend ist meine Stimmungslage sehr gemischt:
Einerseits fehlt mir der persönliche Kontakt mit den Schüler*innen sehr und ein Teil der Jugendlichen kommt auch zunehmend mit dem Distanzunterricht nicht mehr gut klar. Manchen fehlt einfach die Motivation; die weggefallenen Faschingsferien haben das nicht besser gemacht. Ein Teil der Kinder und Jugendlichen bräuchte auch aus anderen Gründen dringend die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs und viele freuen sich auch einfach so wieder auf die Schule. Das Feedback der Abschlussschüler*innen zum Unterrichtserfolg war auch eindeutig: Obwohl ich behaupten würde, dass wir das mit dem Distanzunterricht ganz gut hinbekommen haben, hat eine deutliche Mehrheit rückgemeldet, dass sie in der Schule besser lernen als auf Distanz.
Andererseits sehe ich die Warnungen des RKI, die Zahlen aus Österreich, die Berichte über Langzeitschäden („Long Covid„) bei Kindern und Jugendlichen sowie die katastrophalen Entwicklungen beispielsweise in Teilen Südamerikas. Wir haben keine Tests und die Lehrkräfte können sich nicht impfen lassen. Und ich sehe auch eine vertane Chance: Mit den Osterferien hätten wir die Entwicklung des Geschehens noch vier Wochen lang beobachten können; diesen zusätzlichen Puffer gibt man jetzt auf für fünf Schultage, die ein Kind im Wechselunterricht an der Schule ist. Man darf diese fünf Tage nicht geringschätzen; dennoch ist das ein hoher Einsatz. Und vielleicht wäre es ja auch möglich gewesen, mit differenziertem Vorgehen einem Teil der Problemlagen der lang anhaltenden Schließung der Schulgebäude zu begegnen, ohne gleich alle auf einmal zurückzuholen; ich habe solche Ideen ja hier schonmal beschrieben: Bildungs- und Chancengerechtigkeit während der Corona-Pandemie.
Wie gehen Eltern damit um?
Der BR hat eine Umfrage gemacht (Stichprobengröße allerdings zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Posts erst 120 Personen), bei der 42% der Eltern angeben, dass sie keine Sorge vor einer Ansteckung haben, weitere 15% haben eher keine Sorge. Für diesen Teil der Eltern ist insofern alles gut. Immerhin ein Viertel der Eltern gibt allerdings an, dass sie „Ja, auf jeden Fall“ Bedenken haben. In Bayern hat der Kultusminister in seinem Elternbrief vom 09.03. diese Eltern direkt angesprochen:

Manche Eltern berichten von Sorgen, dass ihr Kind aus einem solchen Antrag Nachteile haben könnte oder dass die Schule einen entsprechenden Antrag nicht genehmigen könnte. Ich teile diese Bedenken eher nicht – dieser Hinweis an die Eltern von höchster Stelle würde ja überhaupt keinen Sinn machen, wenn es dann nicht auch möglich wäre, dieses Angebot anzunehmen.
Und sonst so?
Nachdem der Schnee sich erst verabschiedet hatte, ist der Winter nun zurück:


Ein Kommentar