Schon wieder ein Jahr vorbei und hier im Blog ist nicht viel passiert. Das hat Gründe, aber das ist ein anderes Thema. Gerne stelle ich wieder meine Rede von der letzten Abschlussfeier zur Verfügung – nicht weil ich sie für besonders originell und gelungen halte, sondern weil ich selbst dankbar bin für Inspiration, wenn sie mir fehlt.
Direkt vor meiner Rede hat eine Schülerin den ABBA-Song „Slipping through my fingers“ gesungen, begleitet nur von einem Piano; so ähnlich wie hier kann man sich das vorstellen.
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Liebe Absolventinnen, liebe Absolventen,
liebe Ehrengäste,
liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen,
seid ihr alle da?
Manchmal wirkt Schule ja schon ein bisschen wie ein Kasperltheater, aber tatsächlich stelle ich diese Frage nicht, weil ich ja der Oberkasperl hier bin, sondern weil es vielen Menschen heutzutage oft schwer fällt, wirklich dort zu sein, wo sie gerade sind; also nicht nur körperlich anwesend zu sein, sondern auch mit den Gedanken, mit Herz und Seele da zu sein. Sie kennen das vielleicht, wenn zum Beispiel manche Eltern mit ihren Kindern am Spielplatz sind, aber gar nichts mitbekommen, weil sie mit den Augen und Gedanken nicht bei ihren Kindern, sondern am Handy sind – ein etwas trauriges Bild.
Und wenn wir nicht „da“ sind, wenn also Körper und Geist sich an verschiedenen Orten befinden, dann passiert genau das, was wir gerade in diesem wunderbaren Song, den J. für uns gesungen hat, gehört haben:
Der Moment entgleitet uns, er schlüpft uns durch die Finger, wir nehmen ihn gar nicht richtig wahr und können ihn auch nicht bewahren.
J. hat diesen Song beim Schulkonzert gesungen und – vielleicht ging es ihnen gerade ähnlich -, Inhalt und ihr Vortrag haben mich tief berührt. Da erzählt eine Mutter oder ein Vater davon, wie es ist, sein Kind aufwachsen zu sehen, erzählt von den gelingenden Momenten, aber auch von dem, was man sich immer vorgenommen hat, gemeinsam zu erleben, wozu es aber nie kam – und auf einmal sind sie groß.
So groß, dass wir sie heute aus unserer Schule verabschieden und der gemeinsame Wegabschnitt endet. Was für ein schöner Moment, was für ein schöner Anlass, sich zu treffen und doch schwingt da immer auch ein Stück Melancholie mit, wenn man sich voneinander verabschieden muss.
Ich hoffe, dass euch die Erinnerung an die vielen schönen Momente, besonders die Fahrten und gemeinsame Aktivitäten, die gemeinsamen Erfolge und auch die Erinnerung daran, gemeinsam Schwierigkeiten bewältigt zu haben, dass euch diese Erinnerungen nicht entgleiten, sondern dass ihr sie ein Leben lang bewahrt und gerne an uns zurückdenkt; so wie wir gerne an euch zurückdenken werden.
Zum Abschied gehört aber zunächst der Dank:
- Ich danke allen, die zum Gelingen des heutigen Tages beigetragen haben; S. hat die Gruppen und Personen bereits genannt.
- Euch, liebe Schülerinnen und Schülern, danke ich persönlich, aber auch im Namen aller Lehrkräfte, für die gemeinsame Zeit; dafür, dass ihr uns jung haltet und dafür, dass wir durch das Teilen vieler schöner, aber auch herausfordernder und leider auch manch trauriger Momente miteinander wachsen durften; S. und L. haben auch daran daran erinnert.
- Ihnen, liebe Eltern sowie dem Elternbeirat unserer Schule danke ich für die Unterstützung Ihrer Kinder, aber auch der schulischen Arbeit und für das Vertrauen in unsere Arbeit.
- Auch die Lehrkräfte haben einen großen Anteil daran, dass heute alle Jugendlichen, die zu den Prüfungen angetreten sind, auch ein Zeugnis über den erfolgreichen Abschluss erhalten können. Vielen Dank für euer Engagement und eure Bereitschaft, immer wieder zu unterstützen und Türen und Wege zu öffnen!
- Allen politisch Verantwortlichen, besonders auch dem Landkreis und den Mitarbeitern im Landratsamt, der Gemeinde Gmund und allen Freunden und Unterstützern unserer Schule danke ich sehr herzlich, dass wir an diesem wunderbaren Ort mit dieser hervorragenden Ausstattung und so viel Unterstützung tätig sein dürfen; das macht es uns leicht, Schule zu leben und zu gestalten.
Nach dem Dank kommen die guten Wünsche (und damit verbunden natürlich auch die schlauen Ratschläge):
Ich wünsche euch – kaum überraschend – von ganzem Herzen Glück, Erfolg, vor allem auch Zufriedenheit.
Aber nun: Die Welt, in der wir leben, macht es einem manchmal nicht leicht, hoffnungsfroh und positiv auf die Zukunft zu blicken. Wie können wir in dieser Welt – wie sie nunmal ist – glücklich, erfolgreich und zufrieden werden? Drei Gedanken dazu:
Erstens:
Habt den Mut, Komplexität als Herausforderung, nicht als Gefahr zu begreifen.
Viele der schwierigen Themen unserer Zeit sind komplex (Klima, Migration, Arbeit und Freizeit, Krieg und Frieden) und es ist nur verständlich, sich nach einfachen Antworten und Lösungen zu sehnen. Aber die gibt es oft nicht und wer behauptet, dass es sie gibt, führt bisweilen nichts Gutes im Schilde. Man muss sich schon selbst die Mühe machen, unter die Oberfläche zu schauen, sich selbst ein genaues Bild zu machen, die Wenns und Abers zu bedenken, Expertinnen und Experten anzuhören. Und dann, wenn man sich dann eine eigene, differenzierte, fundierte Meinung gebildet hat – aber erst dann! – dann habt den Mut, diese selbstbewusst zu vertreten und dafür einzustehen.
Zweitens:
Vor kurzem bin ich in den sozialen Medien auf folgende Geschichte gestoßen; vielleicht habt ihr sie eh selbst gesehen (hier wäre der Link dazu):
Jemand erzählt, dass er am Flughafen die Toilette besucht hat. Er steht so am Waschbecken und daneben ein Typ im feinen Anzug. Der Typ im schicken Anzug wäscht sich die Hände, nimmt dann Papiertücher und fängt an, das Waschbecken abzuwischen, den Rand, die Wasserhähne, bis alles schön glänzt. Der Mann, der die Geschichte erzählt, wundert sich und macht sich darüber lustig, fragt den anderen, ob er hier schon lange arbeiten würde.
Der antwortet ihm: Es ist eine gute Idee, die Dinge ein bisschen besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat.
Das bringt den Erzähler ins Grübeln und er erkennt: Was wäre das für eine fantastische Welt, wenn alle so handeln würden? Und nimmt sich selbst ein Papierhandtuch und wischt sein Waschbecken sauber.
Es ist eine gute Idee, die Dinge ein bisschen besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat.
Lasst uns den Gedanken ausweiten; nicht nur auf Dinge, auch auf Menschen und Begegnungen: Wie wäre es, wenn wir versuchten, jedes Gespräch so zu führen, dass unser Gegenüber ein bisschen glücklicher aus dem Gespräch herausgeht wie er reingegangen ist?
Und klar – das klappt nicht immer, manchmal braucht es Klarheit, Auseinandersetzung und bisweilen auch Durchsetzungsfähigkeit. Aber sehr oft ginge das schon:
Es ist eine gute Idee, jeden Ort, jeden Menschen ein bisschen besser zu hinterlassen, ein bisschen glücklicher zu verlassen, als man ihn vorgefunden hat. Was wäre das für eine Welt!
Drittens:
Und damit kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück:
Schätzt und genießt die Momente des Glücks im Alltag, die großen wie die kleinen.
Legt das Handy zur Seite und schließt für einen Moment dieses Tor zur hektischen digitalen Außenwelt. Lasst euch ein auf den Moment, auf die Menschen, mit denen ihr gerade zusammen seid und kostet schöne Augenblicke mit allen Sinnen aus; ohne Ablenkung durch die nächsten fünf Benachrichtigungen und auch ohne Kopfkino über die bisweilen schwierige Welt da draußen.
Damit meine ich nicht einen Rückzug ins Private als Flucht vor der komplexen Welt wie im Biedermeier. Aber unser Geist ist nicht gemacht für die Dauervernetztheit, Dauerkommunikation, Dauererregung. Und wenn wir uns davon nicht bisweilen abgrenzen, dann verpassen wir die alltäglichen kleinen Momente des Glücks, das gemeinsame Frühstück im Kreis der Familie, den Sonnenuntergang am See, den Menschen, der uns aufmunternd zunickt, wenn wir es brauchen, dann gleiten uns diese kleinen Momente durch die Finger und das wäre wirklich schade.
Denn wenn wir diese Dinge bewusst wahrnehmen, dann schöpfen wir daraus Zufriedenheit, Glück und die Kraft, die es dann braucht, um wieder mutig und tatkräftig ins Außen zu gehen und diese Welt zu einem guten Ort zu machen.
Und jetzt, liebe Schülerinnen, liebe Schüler, liebe Gäste, lasst uns, lassen Sie uns genau das tun. Genießen wir jeden Moment dieses Tages, kosten wir jede Sekunde des Zusammenseins voll aus und freuen wir uns gemeinsam über diesen schönen euren, unseren gemeinsamen, Erfolg, den wir heute feiern dürfen!
Herzlichen Dank!