(K)ein verlorenes Schuljahr

Vorbemerkung

Am Ende jedes Schuljahres dürfen Schulleitungen nochmal kreativ sein und salbungsvolle Worte von sich geben: Sei es die Verabschiedung altgedienter Kolleg*innen in den Ruhestand, die Verleihung von Abschlusszeugnissen oder das Geleitwort zum Jahresbericht; stets hat der*die Schulleiter*in nochmals Gelegenheit, unwidersprochen seine Weltsicht zu erläutern. Eine schöne, aber ehrlich gesagt am Ende eines langen und kräftezehrenden Schuljahres auch nicht immer eine einfache Aufgabe. Für den Jahresbericht habe ich mir deshalb heuer Hilfe geholt:

Und die Inspirationen ließen nicht auf sich warten; in seinem halbtagsblog schrieb Jan-Martin Klinge gleich einen langen Text dazu; vielen Dank dafür! Das sind nun meine Gedanken dazu, die in ähnlicher Form auch als Vorwort unserem diesjährigen Jahresbericht vorangestellt sind:

Zum Schuljahr 2020/21

Wie wird es im September weitergehen, können wir zu einem Schulbetrieb zurückkehren, der mit Teamarbeiten, Ausflügen, Fahrten, Chorproben und Veranstaltungen Schule vom reinen Lern- auch wieder zum Lebensraum macht? 

Diese Frage habe ich im Vorwort des letzten Jahresberichts gestellt. Die Schulgemeinschaft hatte die Herausforderungen der ersten Pandemiewelle gut bewältigt, alle Absolventinnen und Absolventen hatten ihren Abschluss geschafft – viele davon mit beeindruckend guten Ergebnissen – und ein entspannter Sommer stand vor der Tür. Niemand ahnte, dass das nächste Schuljahr gänzlich unter Corona-bedingten Einschränkungen stattfinden würde:  

Bis zu den Herbstferien verlief (bis auf die Maskenpflicht in den ersten beiden Wochen) der Unterricht noch recht normal, im November waren bereits einzelne Klassen in Quarantäne; ab Mitte Dezember bis zu den Pfingstferien gab es dann ein Hin und Her aus Distanz- und Wechselunterricht mit sich ständig ändernden Vorschriften. Erst ab Pfingsten waren die Klassen wieder vollständig im Haus, allerdings immer noch unter den Beschränkungen eines strengen Hygieneplans mit Masken- und Testpflicht. 

Ein verlorenes Schuljahr? 

Nicht wenige Politiker*innen und Journalist*innen schrieben schon bald das Schuljahr ab: Ein verlorenes Jahr für die Bildung sei es, Distanzlernen ein gescheitertes Experiment und manche*r drückte gleich allen Schülerinnen und Schülern den Stempel der „Corona-Generation“ auf und forderte die Wiederholung des Schuljahres für alle. 

Kein verlorenes Schuljahr! 

Wer so spricht, wer solches fordert, kann nicht unsere Realschule Tegernseer Tal meinen. Was unsere Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Familien in der Pandemie geleistet haben, was wir alle – auch jenseits der Bildungspläne – gelernt haben, ist beachtlich, vorzeigbar und auch richtungsweisend angesichts der sich ständig wandelnden Herausforderungen in einer digitalisierten Welt:  Um im Distanzunterricht erfolgreich zu sein, müssen Schülerinnen und Schüler vielfältige Kompetenzen erwerben und einüben: Eigeninitiative, Selbstständigkeit, Ausdauer, Flexibilität, Konzentrationsvermögen, Lernbereitschaft, Teamfähigkeit, Kommunikationsbewusstsein, Verantwortungsbereitschaft; um nur einige zu nennen. 

Auch für die Lehrkräfte waren die Herausforderungen beachtlich: Anders als während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 haben wir nun den Unterricht vollständig online nach Stundenplan gehalten. Wie aber geht das: guter, motivierender, schülerzentrierter Online-Unterricht? Viele hundert Stunden haben die Lehrkräfte sich dafür fortgebildet; Beispiele aus dem Unterricht sind im Jahresbericht der Schule nachzulesen: Von Experimenten in Biologie, Chemie, Physik, über winterliche Challenges bis hin zu einem digitalen Schulkonzert ist auf über 200 Seiten nachzulesen, was die Schulgemeinschaft diesem besonderen Schuljahr an Lebendigkeit und gelingender Bildung abgetrotzt hat.

Alle gemeinsam haben wir gelernt, die Möglichkeiten der Kommunikation und des Lernens in einer digitalen Welt noch besser zu nutzen. Vieles davon, zum Beispiel die Möglichkeit digitaler Elternsprechtage, der zeit- und ortsunabhängigen Zusammenarbeit im Team oder auch die Gestaltung „hybrider“ Szenarien, also Unterricht oder Besprechungen mit Personen vor Ort und digital zugeschalteten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, werden wir mit in die Zukunft nehmen. 

Was alles fehlte 

Die Begegnungen und Erlebnisse, die außerhalb des Pflichtunterrichts stattfinden, wenn wir gemeinsam in den Wahlfächern unsere Interessen verfolgen, wenn Jugendliche auf der Bühne strahlen, wenn wir gemeinsam singen oder bei Klassenfahrten die Welt entdecken, haben einen ganz wesentlichen Anteil an gelingender Bildung. Und auch wenn wir versucht haben, wenigstens Teile des Schullebens auch im Digitalen stattfinden zu lassen, macht es mich ein bisschen wehmütig, wenn ich darüber nachdenke, dass vieles von dem, was Schule bunt, fröhlich und lebendig macht, im vergangenen Schuljahr nicht stattfinden durfte: 

Adventsmarkt, Ausbildungstour, Berufsorientierungstage, Betriebspraktika, der Abschlussball, Exkursionen und Museenbesuche, Fahrten nach Taizé, Straßburg, England, in die Provence, Geschichtstage in Regensburg, Gottesdienste, Kennenlerntage der 5. Klassen, Kinoabende, Kollegiumswochenende, Proben des Eltern-Lehrer-Chors, Schulkonzerte, Schulversammlungen, Sportunterricht, Studienfahrten der 10. Klasse, Tage der Orientierung, Theateraufführungen, Theaterprobentage, Unterricht in den Chorklassen, Weihnachtsfeier, etc. 

Und wir dürfen auch die Augen nicht vor denjenigen verschließen, die mit den Herausforderungen des vergangenen Jahres nicht zurechtgekommen sind: Kinder und Jugendliche, für die dieses Schuljahr tatsächlich ein verlorenes Jahr war; Familien, die den Belastungen der Pandemie nicht standhalten konnten. Sie werden im kommenden Schuljahr besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung brauchen. 

In der Zusammenschau war für unsere Schule das Schuljahr 20/21 also gewiss kein verlorenes, sondern durchaus ein lehrreiches Jahr; dennoch keines, das ich noch einmal erleben wollen würde. 

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