Mit dem neuen Schuljahr hat das Deutschlandticket Einzug in die Schülerbeförderung gehalten. Was folgerichtig und einfach klingt, verursacht in der Praxis einige Probleme und Ärger. Dabei ginge es doch viel einfacher.
Mit Ausnahme dreier Studienjahre habe ich mein ganzes Leben in ländlichen Kleinstädten zugebracht. Ich mag das, aber freilich hat das Landleben auch seine Tücken und eine davon ist die Frage der Mobilität; besonders wenn man unter 18 ist. Die Jugend behilft sich – heute wie früher – mit allerlei motorisierten Zweirädern, auch E-Bikes haben manchem Hügel den Schrecken genommen. Aber bald ist wieder November, es wird kalt, nass und rutschig und dann heißt es bis März, April wieder Elterntaxi oder Bus- oder – wo es einen gibt – Zugfahren. Die Kosten für die Tickets können dabei ein ganz schön tiefes Loch in den jugendlichen Geldbeutel reißen – bisher zumindest. Denn jetzt ist alles anders – oder doch nicht?
Früher erhielten in Bayern Schülerinnen und Schüler, die mehr als zwei Kilometer (in der Grundschule) oder mehr als drei Kilometer (ab der 5. Klasse) von der Schule entfernt wohnten oder die einen besonders gefährlichen Schulweg hatten (die Beurteilung dieser Gefährlichkeit fällt bei Eltern und Behörden bisweilen sehr verschieden aus), eine Fahrkarte zur Schule. Entweder für den Bus oder für den Zug – je nachdem, was eben die günstigste Möglichkeit war. Schon immer konnte man dieses Ticket auch in der Freizeit nutzen – aber eben nur für diese Strecke.
Seit kurzem ist es nun für viele Strecken günstiger, den Schüler*innen ein Deutschlandticket zu kaufen anstelle der üblichen Schüler-Jahreskarte. Viele Sachkostenträger nutzen diese Möglichkeit, und was zunächst einfach und logisch klingt, birgt in der Praxis eine Menge Stolpersteine und verursacht ganz schön viel Arbeit:
- Die Deutschlandtickets sind als monatliches Abo organisiert. Das kann bedeuten, dass die Beförderungsunternehmen den Kommunen jeden Monat neue Papiertickets zustellen, die dann an die Schulen verteilt und dort – gegen Unterschrift – an hunderte Schüler*innen verteilt werden müssen.
- Die meisten Beförderungsunternehmen verwalten die Deutschlandtickets aber rein digital. Die Schule bekommt zum Beispiel eine Excel-Liste mit hunderten Codes für die Schüler*innen und dann sitzt der Schulleiter da, wandelt Excel-Dateien in Serienbriefe um, die von der Sekretärin ausgedruckt, sortiert und in die Klassen gebracht werden. Die Unterschriftenliste geht zurück an die Kommune und plötzlich braucht der Zehnjährige zwingend ein Smartphone, damit er den Schulbus nehmen kann. Und was schon unter dem Aspekt der Medienpädagogik zweifelhaft klingt, wird endgültig absurd, wenn man sich anschaut, welche weitreichenden Berechtigungen manche dieser Apps fordern: Natürlich müssen Schülername, eine Mailadresse und die Telefonnummer eingegeben werden; dass die App dann auch noch den GPS-Standort bei jeder Nutzung übermittelt, erfährt man erst im Kleingedruckten.
- Nach wie vor gilt, dass die günstigste Variante gewählt wird: Die Mitarbeiter in den Kommunen vergleichen die Preise und dann kann es durchaus sein, dass ein Schüler ein normale Buskarte erhält, während der nächste, der ein paar hundert Meter weiter weg wohnt, ein Deutschlandticket bekommt. Da entsteht schnell Neid und die Verlockung, das Kind doch beim getrennt lebenden Elternteil zu melden, um das passende Ticket zu erhalten, liegt manchen nicht fern.
Für die Eltern, besonders aber für die Mitarbeitenden in den Kommunen und in den Schulen ist die Verwaltung der diversen Möglichkeiten für die Schülerbeförderung ein ziemlicher Aufwand; die verschiedenen Listen zu pflegen und alle (Sonder-)Fälle im Blick zu behalten, kostet Zeit und Nerven.
Muss das so sein?
Nein, es müsste nicht so sein, es gäbe eine viel einfachere Lösung: Warum erhält nicht jedes Kind, jede*r Jugendliche bis zum Abschluss der ersten Ausbildung ein kostenloses Nahverkehrsticket? Egal, wo du wohnst, egal, wo deine Schule ist: Hier ist dein Ticket, viel Spaß damit!
Und wenn wir uns jetzt mal vorstellen, dass der Nahverkehr für Kinder und Jugendliche nicht nur kostenlos wäre, sondern dass es diesen auch in der Fläche in einer vernünftigen Taktung überhaupt geben würde: Dann hätten wir nicht nur jede Menge Ressourcen bei den Beförderungsunternehmen und in Kreis-, Stadt- und Schulverwaltungen freigeschaufelt, sondern hätten auch noch weniger Unfälle mit Mopeds im Winter, weniger Anreiz, bei angetrunkenen Heranwachsenden ins Auto zu steigen und mittelfristig überhaupt weniger Autos auf den Straßen, weil die Jugendlichen bereits gelernt hätten, dass der öffentliche Nahverkehr auch auf dem Land eine echte Alternative zum Zweit- und Drittauto sein könnte.
Aber das würde natürlich bedeuten, dass auch der Schüler, der nur ein paar hundert Meter von der Schule entfernt wohnt, ein Ticket bekommen würde. Und das geht ja nun wirklich nicht.